Triathleten gehen freiwillig in den Knast!

Wenn es an irgendeinem Ort in der Welt Kilometer zu verhaften gilt, sind die Triathleten der TG nicht davon abzuhalten. So fuhren Thomas Kröll und Kirsten Liesenberg am 15. Mai für einen Tag in die JVA Darmstadt ein, um am diesjährigen Knastmarathon Darmstadt teilzunehmen.

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Seit 2007 wird im Rahmen eines Marathonprogrammes für die Inhaftierten mehrerer Justizvollzugsanstalten des Umkreises ein Marathon hinter Gittern veranstaltet, an dem auch eine Hundertschaft externer Läufer zugelassen sind. Nun, landschaftlich hat dieses Rennen sicherlich nicht so viel zu bieten, wenn innerhalb des Sicherheitsbereiches 42,195 Kilometer zurückgelegt werden müssen. Aber der Reiz, …

…innerhalb eines Gefängnisses 24 Runden zu laufen, war für unsere beiden Langstreckler verlockend. Die Begegnungen innerhalb der mit ca. 150 Läufern sehr kleinen Startgruppe, die gute Organisation und Versorgung und die anfeuerende Begeisterung der Zuschauer und Freigänger gestalteten den Lauf abwechslungsreich. Kirsten rang es sichtliche Bewunderung ab, dass sich einige Inhaftierte von absoluten Nichtläufern innerhalb eines halben Jahres unter solchen Laufbedingungen auf die Absolvierung eines Marathons vorbereiten konnten. Die Stimmung eines Höhepunktes der Anstrengungen, einer ersehnten Zielerreichung waren fühlbar. Für unsere beiden Triathleten hob sich schon der Zugang zur Laufstrecke und damit zur JVA deutlich von anderen Laufveranstaltungen ab. Das Abtasten nach Waffen, den Metalldetektor und die Taschenkontrolle erspart sich ein anderer Veranstalter bei bestenfalls nach Muskeltonikum riechenden Laufverrückten doch. Die Begegnung mit dem nach Drogen suchenden Spürhund gehört bestimmt auch für Vielflieger zu einer neuen Erfahrung. Aus einer abgesperrten Sicherheitszone heraus erfolgte der Start auf die mit reichlich Kurven und Kehren versehene Strecke. Es dauerte wohl einige Runden, bis Kirsten ihren Rhythmus fand und dabei Gespräche mit den Mitlaufenden entspann.

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Thomas hatte derweil ein eigenes Ziel. Zu seinem Pech wusste der Fahrer des Führungsfahrrades wohl doch, dass er nicht überholt werden sollte. In den letzten Runden wurde auch Kirsten vom Jagdfieber gepackt und kam der führenden Frau näher. Während Thomas als zweiter Läufer immer noch hinter dem Führungsfahrrad unterhalb des Streckenrekordes blieb, gesellte sich Kirsten als zweite Frau im Zielbereich dazu. Beide teilten ausser ihrer Platzierung die Begeisterung für diese geschlossene Veranstaltung und befinden sich wieder in Freiheit. Einer freiwilligen Inhaftierung im nächsten Jahr stehen sie sehr positiv gegenüber.

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Der Winter ist rum 

Eine gute Vorbereitung gehört für dieses und andere Rennen zu den Genuss-Garanten. Zum Ende des Winters bietet sich unter Dreikämpfern häufig folgendes Bild: Filigran rennbereifte Fahrräder, die bestenfalls auf einer surrenden und brummenden Rolle im Keller fixiert ein zweifelsohne schweisstreibendes Vergnügen bereiteten. Laufschuhe, an denen das Salz und der Matsch des Winters ein vom Schuster nicht gewünschtes Muster hinterliessen. Ein Neopren-Kälteschutzanzug, der im Schrank davon träumt, über kalkweisse Haut gespannt kühle Wasser zu durchschneiden. Diese treuen Wegbegleiter eines jeden Dreikämpfers wollen der Frühjahrssonne zugeführt werden. Und was gibt es besseres, als Kilometer mit Freunden zu teilen, das Surren der Ketten zu einem synchronen Klang zu vereinen und gemeinsam hustend ein paar Fliegen zu verzehren? Gut dafür geeignet zeigte sich über die Ostertage ein Trainingslager im Jugendzentrum Ronneburg.

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Für 11 TG Triathleten bildete die vollverpflegte Wohngemeinschaft den nicht immer wohlriechenden Rahmen von fünf Tagen straffen Trainings. Die dem Triathlon namensgebenden drei Disziplinen wurden täglich um die festen Essenszeiten terminiert, wobei Saunieren, Grillen und ein bißchen Feiern durchaus eine willkommene Fortsetzung des vollgepackten Tages darstellten. Eine Erweiterung der Erkenntnis bietet sich nahezu jedem, der eine sportliche Betätigung auf mehr als zwei Stunden ausdehnt. Ab diesem Zeitpunkt etwa gewinnt die Nahrungsaufnahme unter Belastung eine größere Bedeutung. Hier bietet das Trainingslager einiges an Herausforderung, ist doch ein paniertes Fischfilet oder gar eine Kohlroulade während der anschliessenden Radausfahrt ein gewichtiger Anlass, seine Magenfunktionen besser kennenzulernen. Einmal angelangt bei Basisfunktionen des Daseins, ergreift die Errechnung der Pendlerpauschale in der anstehenden Steuererklärung die Flucht in die Welt der Theorie. Varianzen in der Triathlonwelt sind dabei groß; während Jörg Rendel schon nach einer halben Stunde Radausfahrt hungrig nach seinem ersten Energieriegel greift, verschluckt Torsten Becker widerwillig seine dritte Fliege. Anders als beim Riegel sind diese auf Konfrontationskurs eingestellten Insekten nur in einer Geschmackssorte erhältlich und schmecken zu dieser Jahreszeit noch eher unreif. Torsten scheint das nicht zu kümmern. Vielleicht birgt gerade dieses amphibienartige Verhalten unseres Schnellschwimmers Torsten die Erklärung für seine Schwimmstärke?
Nun, der Rest unserer Radgruppe versuchte derweil, der mit einer Unmenge an Pollen und Pflanzensamen geschwängerten Luft etwas Sauerstoff abzugewinnen. Die Fliegen waren ja für Torsten reserviert. Überhaupt präsentierten sich Räder und Athleten nach nur kurzer Fahrt in einem einheitlichen gelben Schleier. Auch wenn die gleichen Personen nach ebenso kurzer Fahrt nicht annähernd nach Honig rochen, erschien der Evolutionsschritt zum bestäubenden Helfer der Natur nicht weit. Waren das wirklich die Kettentriebe der Velos, die da summten? Unter Atemnot entstehen schon seltsame Gedanken…

 

Ligaauftakt

Atemlos endete auch der Ligaauftakt des Herrenteams in der ersten Hessischen Triathlon Liga. Bei dem Sprint-Teamrennen über 750 m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen in Fritzlar muss die Mannschaft alle Disziplinen im geschlossenen Verband absolvieren. Torsten Becker, Frank Hoffmann, Christoph Lasinski und Uwe Münch durften sich während des Rennens nie mehr als 45 Sekunden voneinander distanzieren. In der Individualsportart Triathlon ist diese enge Rennstruktur als Mannschaft ungewöhnlich, da üblicherweise wenigstens während des Radfahrens ein Mindestabstand gefordert ist. Da es eigentlich in jeder Disziplin Leistungsunterschiede zwischen den Athleten gibt, muss hier der Schnellere auf den etwas Schwächeren achten und kann ihm die im Rahmen des Reglements erlaubte Unterstützung zuteil werden lassen. Während Amphibien-Torsten die Mannschaft wie eine Laichschnur hinter sich durch das Wasser zog, wandte der in Groß-Gerau beheimatete Frank beim Radfahren seine Kenntnisse aus dem landwirtschaftlich geprägten Ried an. Wie ein Traktor pflügte er eine Furche in den teils kräftigen Gegenwind, während seine drei Gummiwagen sich hinter seinen Rücken duckend keine weitere Tempoverschärfung wünschten. Vor dem Start schon vermochte man diese Stärke in seiner Antwort auf die Frage erkennen, ob er sich für den Wettkampf aufwärmen würde: „Vor dem Schwimmtraining machst Du Dich doch auch nicht warm, oder?!“

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Zurück in der Wechselzone, nach Radabstellen, Helmabwurf und Schuhwechsel setzte sich die Hatz auf schottrigem Boden zu Fuß fort. Während Uwe japsend nach Luft rang, Torsten seine obligatorische Fliege verspeiste und Christoph seine zum Vorjahr verbesserte Laufform demonstrierte, hielt Frank die Gruppe zusammen. Fünf Kilometer können sehr lang sein. Genug Zeit jedenfalls, um Hand aufzulegen. So jedenfalls nannte Frank die seinem ältesten Mannschaftskollegen gewährte Schubhilfe, die sich mit einer osteophatischen Behandlung der unteren Rückenpartie vergleichen lässt. Der Rücken streckt sich, die Beine auch und plötzlich fällt das Laufen leichter. Ob die Veränderung nur im Kopf geschieht oder physikalische Ursachen hat, war Uwe in dem Moment vollkommen egal. Im erlösenden Ziel konnte die Mannschaft auf eine hervorragende Leistung zurück blicken und fiel sich gegenseitig in die Arme. Die Freude über die gemeinsame Leistung mischte sich dabei mit der Erschöpfung. Mehr als eine Minute schneller als im Vorjahr schloss dieses mittlerweile verschwitzte Team den ersten Wettkampf der Saison ab. Dies lässt auf die weiteren Liga-Wettkämpfe des Jahres gespannt sein. Der am 05. Juni in Büdingen ausgetragene Auftakt der Seniorenliga-Saison wird mit ebensolcher Spannung erwartet. Die Ü40-Athleten haben in der letzten Saison ein stahlhartes Ergebnis abgeliefert und bisher keinen Rostansatz erkennen lassen.

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Die gesamte Vielfalt der Wettkampfaktivität der TG Triathleten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Die Vereinsfarben werden aber auch in diesem Jahr wieder Europa-weit auf sämtlichen Distanzen im Renngeschehen aufzufallen wissen. Mit den sich öffnenden Toren der beginnenden Saison zieht die wohltrainierte Schar in rot-weiß-blau in die Welt der Freiluftwettkämpfe, ob hinter Gittern oder am Baggersee.

Uwe Münch